Newsletter 3/2019

Störungen erkennen, bevor sie auftreten

Lear und 4flow setzen Machine Learning erfolgreich um

Ein gutes Exception Management ist essenziell, um eines der wichtigsten Ziele beim Managen von Supply Chains zu erreichen: stabile Transportprozesse. Denn Störungen, sogenannte Exceptions, bringen geplante Abläufe in Supply Chains durcheinander. Sie produzieren Aufwand, kosten Geld und verschlechtern die Qualität. Und im schlimmsten Fall führen sie zu Lieferengpässen und Produktionsausfällen. Zeit ist dabei ein wichtiger Faktor: Tritt eine Exception auf, muss die Reaktion schnell erfolgen.

In absehbarer Zukunft wird allerdings auch eine schnelle Reaktion nicht reichen, um sich positiv vom Wettbewerb abzusetzen. Schon heute verschaffen sich digitale Vorreiter mittels Machine Learning einen erheblichen Zeitvorsprung. Sie können drohende Störungen bereits einige Tage im Vorfeld erkennen und sich darauf vorbereiten oder sie durch entsprechende Maßnahmen proaktiv verhindern. Einer dieser digitalen Vorreiter ist der Automobilzulieferer Lear, der bereits erfolgreich mit Machine Learning arbeitet. Die Implementierung erfolgte gemeinsam mit 4flow.

Lear hat ein hochkomplexes Produktionsnetzwerk

Die Lear Corporation mit Hauptsitz in Southfield, USA, ist einer der weltweit führenden Hersteller von Autositzen und elektrischen Verteilersystemen mit 161.000 Mitarbeitern an 261 Standorten in 39 Ländern. Das Unternehmen steht vor der täglichen Herausforderung, seine Logistikprozesse in einem immer stärker verzweigten und dynamischen Produktionsnetzwerk optimal zu planen, zu steuern und zu betreiben. Eine komplexe Aufgabe: Alleine in Europa und Afrika hat Lear rund 70 Werke, die sich auch untereinander mit Komponenten beliefern.

Für Lear entwickelt 4flow ein Exception-Prediction-System

Lear hat seine Prozesse 2012 mit Unterstützung von 4flow standardisiert und optimiert. Seither optimiert, steuert und managt 4flow als Fourth-Party-Logistics(4PL)-Dienstleister das Transportnetzwerk von Lear in Europa und Afrika. Im Rahmen dieser Aufgabe hat 4flow auch sein Exception-Prediction-System eingeführt, mit dessen Hilfe ein Teil der Störungen in Lears Transportprozessen vorhersagbar wird. 4flow hat dafür zunächst mit verschiedenen Machine-Learning-Modellen analysiert, welche Exceptions im Transportnetzwerk von Lear auftreten und welche davon vorhersagbar sein könnten.

Bereits der Pilot liefert vielversprechende Ergebnisse

Basierend auf einer Vielzahl von Daten wurden dafür ab Herbst 2017 sowohl qualitative Einflussfaktoren wie Ladezeitfenster, als auch quantitative Einflussfaktoren wie analytische Korrelationsbewertung identifiziert. In einer anschließenden Analyse wurde dann ermittelt, welche Einflussfaktoren tatsächlich im Machine-Learning-System Verwendung finden sollen. Dieses System wurde nun mit einer Vielzahl an historischen Daten trainiert und getestet. Anhand der Ergebnisse konnte das System iterativ weiterentwickelt und verbessert werden, bis die erzielte Qualität schließlich einen Piloten ermöglichte, der aktuelle Daten verarbeitet. Seit Herbst 2018 kommt dieser in fünf Lear-Werken zum Einsatz. „Die Idee von 4flow, drohende Exceptions mittels künstlicher Intelligenz zu identifizieren, hat uns sofort begeistert“, sagt Dennis Henning, Vice President Operations & Logistics bei Lear. „Und die extrem vielversprechenden Ergebnisse in der Pilotphase haben unsere Erwartungen sogar noch übertroffen.“

Machine Learning liefert wesentlich bessere Ergebnisse als ein Reporting

Beim Machine Learning lernt der Algorithmus – wie Menschen auch – von gemachten Erfahrungen. Dabei ist er aber deutlich schneller als der Mensch und kann erheblich komplexere Zusammenhänge erkennen. Ein Logistikplaner betrachtet in der Regel eine Handvoll Faktoren, die für das Auftreten einer Störung verantwortlich sein könnten. Das Exception-Prediction-System bei Lear berücksichtigt alleine zur Erkennung von Volumenabweichungen bei der Transportanmeldung über 30 Faktoren. Der Erfahrungsschatz des Algorithmus ist deshalb wesentlich größer und die darauf beruhenden Prognosen sind mit höherer Wahrscheinlichkeit korrekt.

Ein Beispiel: Verursacht ein bestimmter Lieferant in drei aufeinanderfolgenden Wochen eine Exception, liegt die menschliche Erwartung nahe, dass er das auch in der vierten Woche tun wird. Der Algorithmus dagegen erkennt, dass in den Vorwochen Faktoren zu einer Störung geführt haben, für die der Lieferant nichts kann. Wenn er basierend auf dieser Erkenntnis vorhersagt, dass es trotz des wieder gleichen Lieferanten diese Woche keine Exception geben wird, dann hat er damit in der Regel recht.

„Im Gegensatz zu einem Algorithmus fallen wir Menschen oft auf Scheinkorrelationen herein“, erklärt Niklas Bergner, der bei 4flow für die Entwicklung prozessbasierter Machine-Learning-Modelle verantwortlich ist. „Wir hatten zum Beispiel angenommen, nach Feiertagen würden die Exceptions steigen, weil sich der Rhythmus erst wieder einspielen muss. Zu unserer Überraschung mussten wir aber feststellen, dass das keine wesentliche Rolle spielt.“ Auch erfahrenen Transportmanagern gelingt es kaum, alle relevanten Einflussfaktoren zu identifizieren und zu berücksichtigen. „Die Ergebnisse, die unser Machine-Learning-Modell liefert, sind deutlich besser als bei einem normalen Reporting“, so Niklas Bergner.

Wachsende Präzision mit zunehmender Datenmenge

Damit Machine Learning funktioniert, ist es unerlässlich, das System mit Daten zu füttern, je mehr desto besser. Mit zunehmender Datenmenge und -qualität wächst die Präzision der Vorhersagen, da die Berechnung auf Wahrscheinlichkeiten beruht. Das System lernt. Seine Algorithmen schreibt es nicht nur selbst, es passt sie auch automatisch an, wenn es neue Muster erkennt oder sich Rahmenbedingungen ändern. Der Algorithmus ist aber nur dann erfolgreich, wenn dieser in einen effizienten Prozess integriert ist, der erkannte Störungen vermeidet.

4flow hat deshalb bei Lear einen Prozess implementiert, bei dem alle bekannten Transportaufträge für die Folgewoche durch das System geprüft werden. Stellt der Algorithmus ein Risiko für eine Exception fest, wird automatisch eine E-Mail an die relevanten Empfänger verschickt, um geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. So werden zum Beispiel Lieferanten aufgefordert, ihre Transportanmeldungen noch einmal zu überprüfen.

Precision von über 50 Prozent sorgt bereits in der Pilotphase für deutlich stabilere Transportprozesse

Das Exception-Prediction-System bei Lear hat bereits in der Pilotphase mit einer Genauigkeit (Precision) von 51 Prozent gearbeitet, d. h. mehr als die Hälfte aller identifizierten Exceptions ist tatsächlich eingetreten. Die absolute Exception-Rate konnte in den fünf Pilot-Werken innerhalb der ersten 10 bis 12 Wochen um 11 Prozent gesenkt werden. Diese deutliche Verbesserung der operativen Netzwerkperformance spart Kosten und sorgt für wesentlich stabilere Transportprozesse, wovon auch Lears Lieferanten und Spediteure profitieren. Aktuell planen Lear und 4flow deshalb einen Rollout auf weitere Werke.

Autoren: ANDREAS KICK, Partner bei 4flow und FELIX KAEMMERER, Vice President bei 4flow

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